Editorial

Liebe Abonnent*innen des Newsletters,

wann sind eigentlich Superlative angebracht?

Am 23. Mai hat der südafrikanische Präsident öffentlich verkündet, dass der Lockdown von Level 4 auf Level 3 abgemildert wird. Die zurückliegenden zwei Monate des „härtesten Lockdowns der Welt“ haben Südafrika, das Land mit der größten Ungleichheit in der Einkommensverteilung der Welt, auf eine harte Probe gestellt. Und eine gute Woche vor dem Ablauf von Level 4, veröffentlichte das südafrikanische Verteidigungsministerium ein Richtlinienpapier, in dem es nochmal aufgeschrieben hat, dass Soldaten Menschen nicht einfach so erschießen dürfen.

Elf Menschen sind in den vergangenen zwei Monaten von Polizisten und auch Soldaten durch Corona-Schutzmaßnahmen getötet worden. Full article

Permanente Krisenfunktion

von Maren Grimm

Die informellen Minenarbeitersiedlungen im Fokus

Einer der Ausgangpunkte für die Kampagne Plough Back The Fruits war immer die Verstärkung der Stimmen jener Arbeiter*innen und ihrer Communities in den Abbaugebieten der Rohstoffe Südafrikas, die am Anfang der Liefer- und Wertschöpfungsketten globaler Konzerne stehen. Während die Angestellten der Minenbetriebe zumindest über die Organisierung in Gewerkschaften Vertretungen haben, die verpflichtend in Tarifverhandlungen und den jeweiligen Sektor betreffende Entscheidungen mit einbezogen werden müssen, ist eine öffentlich wahrnehmbare und legitimierte Interessensvertretung für die die Minen umgebenden informellen Siedlungen kaum gewährleistet. Für die Unternehmen endet die Verantwortung für ihre Angestellten faktisch beim Verlassen des Werksgeländes. Full article

COVID-19 offenbart das Versagen der Regierung im Umgang mit den ärmsten Bevölkerungsgruppen

Von Bischof Johannes Seoka

Wieder einmal befindet sich Südafrika in einer Sackgasse, was den Umgang mit von Armut betroffenen Menschen angeht – dieses Mal aufgrund der Auswirkungen von COVID-19.

Wir erleben derzeit nicht nur die mangelhafte Führung bei den Strafverfolgungsbehörden, sondern auch anhaltendes Chaos bei der Verteilung von Nahrungsmitteln und Wasser in Gebieten, die seit Beginn unserer Demokratie 1994 keine infrastrukturelle Grundversorgung erhalten haben.  Bilder von Warteschlangen, die es in dieser Länge selbst während der Apartheid nicht gegeben hat, sind jetzt von Kapstadt im Western Cape bis nach Beit Bridge in Limpopo zu sehen. Die Armen, insbesondere die Schwächsten, die Älteren und Menschen mit Behinderung, müssen draußen in der Kälte Schlange stehen, um ihre Sozialleistungen ausgezahlt zu bekommen.  Full article

Grundeinkommen und soziale Sicherheit – die Debatte ist wieder eröffnet

von Simone Knapp

Weltweit ist das Grundeinkommen wieder im Gespräch, sei es als Notsicherung für eine kurze Zeit oder als langfristige Absicherung für die gesamte Bevölkerung. Ein universelles, bedingungsloses Grundeinkommen (BIG), das ungeachtet der Einkünfte oder des Vermögens an alle Menschen von der Geburt bis zum Tod ausgezahlt wird, hat aber bisher noch kein Land gewagt.

Zur Zeit kommen Länder wie Namibia oder Südafrika, die schon seit Ende der 1990er Jahre die Debatte um ein soziales Sicherungssystem und um ein BIG führen, angesichts der Auswirkung der Pandemie und des Lockdowns auf die Lebenssituation eines großen Teils der Bevölkerung darauf zurück.

Südafrikas soziales Sicherungssystem in der Krise

Südafrika etwa hat sich unter Thabo Mbeki dazu entschlossen, ein durchaus ausgeklügeltes soziales Sicherungssystem aufzubauen, angefangen mit Kindergeld (child support grant), staatlicher Rente (pension) ab 60, Invalidenrente (disability grant) und einigen anderen Unterstützungssystemen. Full article

Corona-Krise als Chance ergreifen: Gesellschaftsmodelle anders gestalten

von Boniface Mabanza

Wenn man den Einschätzungen der Afrika-Spezialist*innen aus Deutschland und Europa – und es gibt viele dieser Afrika-Expert*innen – Glauben schenken sollte, dann sollte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die große Katastrophe in Folge der Corona-Pandemie in Afrikas Straßen ausbricht und  westliche Länder sich trotz eigener Erschütterungen durch COVID-19 gezwungen sehen,  beispiellose humanitäre Brücken nach Afrika zu organisieren. Diese Prognosen gingen und gehen von der Annahme aus, dass, wenn COVID-19 auch bei „uns“ schlimm ist, diese Pandemie in Afrika nur schlimmer sein kann. Ein Problem ist, dass viele von denen, die sich in diese Prognosen wagten, von einem homogenisierten Afrika sprechen, welches so nicht existiert. Full article