An die BesucherInnen der Ausstellung

AN DIE BESUCHERINNEN DER AUSSTELLUNG DER WITWEN VON MARIKANA
von NomaRussia Bonase

Es ist mir eine große Ehre, den vorliegenden Katalog einleiten und vorstellen zu dürfen. Dieser Katalog begleitet eine Ausstellung mit den und über die künstlerischen Arbeiten der sogenannten Witwen von Marikana – den Angehörigen jener Minenarbeiter, die bei dem Massaker bei der Platinmine von Marikana im August 2012 von der Polizei getötet wurden.

Die Ausstellung präsentiert die Ergebnisse mehrerer Workshops, die mit den Witwen der Ermordeten dieses Massakers durchgeführt wurden. In diesen Workshops zeichneten und malten diese Frauen zum ersten Mal in ihrem Leben; sie fanden so einen Weg, die erschütternde Erfahrung der Ermordung ihrer Angehörigen zu bearbeiten und ihr Bilder zu geben. Eröffnet wurde damit gleichzeitig ein Weg, das Schweigen und die Stille, die die Witwen umgab, zu durchbrechen und sich Gehör zu verschaffen. Bis dahin nämlich wurden sie behandelt wie Steine – ohne die Möglichkeit zu erzählen, wie sie sich fühlten und was sie wissen.

In der Ausstellung geht es um das Verständnis, die Kreativität und die enormen Fähigkeiten jener Frauen, die ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit uns teilen und ihrem Schmerz Ausdruck verleihen. Es sind die ersten Schritte einer langen Reise, die zu Frieden und Versöhnung führen sollen. Die Bilder sind darüber hinaus Ausdruck der menschlichen Würde und des Einforderns von Respekt, sie sind Ausdruck eines Kampfes um Entschädigung, Wiedergutmachung und Wiederherstellung von Gerechtigkeit. Sie erzählen die Geschichte einer Hoffnung und sie erzählen von einem Versprechen: dass wir, die wir mit ansehen, wie der Reichtum aus unserer Erde gehoben wird während wir hier im Elend versinken – dass wir eines Tages selbst die Früchte ernten werden: Plough back the Fruits.

Diese Bilder zu zeigen ist für uns mit der Hoffnung verbunden, die Herzen zahlreicher Menschen auf der ganzen Welt zu erreichen. Wir hoffen und wollen, dass die Geschichten der Witwen von Marikana möglichst viele Menschen in allen Erdteilen der Welt erreicht; wir verstehen es als einen Beitrag zum kollektiven Handeln für die Beendigung solcher Gewalttaten an unserer Menschlichkeit.

Ich, die ich zu Euch spreche, bin NomaRussia Bonase, Mitarbeiterin der Khulumani Support Group. Khulumani, auf isiZulu ›die Stimme erheben‹, ist eine Mitgliederorganisation, die 1995 von Aktivistinnen gegründdet wurde, um Personen zu unterstützen, deren Menschenrechte verletzt worden waren – durch das Menschenrechtsverbrechen namens Apartheid. Khulumani wurde aufgebaut als das südafrikanische Parlament plante, die ›Truth and Reconciliation Commission‹ einzurichten, um Wahrheit und Gerechtigkeit im Nachfeld der Gewalttaten der Apartheid wieder herzustellen – ohne die Absicht allerdings, diejenigen zu involvieren, die die Kosten des Kampfes gegen die Apartheid an ihrem eigenen Leib und ihrer eigenen Psyche zu spüren bekommen haben.
›Art, Healing and Heritage Workshops‹ nennen wir eines der Werkzeuge, die Khulumani entwickelt hat, um die Menschen dabei zu unterstützen, zerstörte Leben in den Griff zu bekommen. Im Rahmen solcher Workshops, die mit den Witwen von Marikana durchgeführt wurden, entstanden diese Malereien.

Neben diesen Bildern zeigt die Ausstellung auch Arbeiten eines Workshops von Khulumani, der in 2013 Zamdela, Sasolburg durchgeführt wurde. Die TeilnehmerInnen waren ehemalige ArbeiterInnen des Energiekonzerns SASOL, die 1987-88 einen Streik, bei dem 77 Menschen getötet wurden, überlebten. Wir sind der Überzeugung, dass sich die Ergebnisse der beiden Workshops von Marikana und Zamdela ergänzen, dass in beiden wie auch zwischen ihnen die Verzweiflung und die Hoffnung, der Kampf und die Vorstellungskraft widerhallen. In Südafrika wird oft behauptet: gegen das Trauma und den Schmerz setzen wir Wahrheit, Versöhnung und Wiedergutmachung; und die Verpflichtung, dass das nie wieder geschehen wird. Ein Vierteljahrhundert nach dem SASOL-Streik ist es jedoch in Marikana wieder geschehen.

Die Kreativität und Inspiration dieser Arbeiten sollen dazu dienen, die Hoffnung und den Blick in die Zukunft wieder auferstehen zu lassen: Sie sollen aus der Dunkelheit unseres Schmerzes führen. Ich glaube, dass diese Arbeiten zu uns sprechen und uns das vermitteln.
Ich danke Euch allen, die Ihr gekommen seid, um Euch mit diesen Kunstwerken und ihren Bedeutungen auseinander zu setzen. Eure Anwesenheit, Euer Interesse und Eure Teilhabe geben uns Hoffnung und Energie weiter und mehr zu machen. Wir werden unseren Kampf um soziale, ökonomische und kulturelle Gerechtigkeit nicht aufgeben. Es ist ein Kampf, der dazu dient, unsere menschliche Würde geltend zu machen, er soll eine Kerze der Hoffnung für uns alle sein.