„Weder Wasser noch Nothilfe“

Ein laufender Whatsapp-Austausch mit Thapelo Lekgowa, einem in Rustenburg ansässigen Autor und freiberuflichen Journalisten über die Auswirkungen des Corona-Lockdowns auf die Minensiedlungen im sogenannten Platingürtel nordwestlich von Johannesburg

6. April 2020
Plough Back the Fruits: Was passierte in Marikana, nachdem Präsident Ramaphosa am 23. März 2020 den landesweiten Lockdown (Abriegelung) vergekündet hatte?

Thapelo Lekgowa: An die 90% der Minenarbeiter verließen ihr jeweiliges Arbeitsgebiet und reisten in die verschiedenen Herkunftsregionen in ganz Südafrika und in einige Nachbarländer.

Die meisten Minen, darunter auch Sibanye Platinum (früher Lonmin), wo auch viele der Witwen von Marikana arbeiten sind, hatten gerade erst mit Maßnahmen zur Covid19- Awareness begonnen.  Und zwar durch Videomaterial, das an Wartestationen und in einigen anderen Teilen der Mine abgespielt wurde. Das Problem für viele mit den Videos war die Sprache, die Videos waren auf Englisch, was viele Minenarbeiter nicht fließend beherrschen. Viele hatten auch damit gerechnet, dass sie gescreent oder getestet werden würden, aber der Lockdown wurde verhängt, bevor dies überhaupt möglich war. Da viele der Minenarbeiter in ihre Heimatregionen gereist sind, bedeutet dies einfach, dass viele von ihnen sich ihres Status zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst waren und die wenigsten von ihnen überhaupt getestet wurden.

Wir wissen aber sehr gut, dass sehr viele Minenarbeiter an chronischen Krankheiten, oft Atemwegserkrankungen leiden und damit klar als Risikogruppe gelten müssten.

Plough Back the Fruits: Welche kurz- und langfristigen Auswirkungen für die Minenarbeiter und ihre Communities sind zu erwarten?

Viele werden über Monate den Verlust (von zunächst 21 Tagen Ausfall) zu spüren bekommen. Minenarbeiter erhöhen ihr Einkommen durch Prämien und Zuschläge, erst das macht ihre Löhne (im Landesdurchschnitt betrachtet) vergleichsweise hoch, ihre Ausgaben sind daran natürlich angepasst [Im Schnitt sind in Südafrika ca. viermal mehr Personen von einem Gehalt abhängig als in Deutschland, Anm. d. Red.]. Für den April bedeutet dies, dass viele weit unter dem verdienen werden, was sie gewohnt sind, zweifellos werden viele eine Rückzahlungspause für laufende Kredite beantragen, die von den Banken (je nach Bankinstitut für 3 bis 6 Monate angeboten wird), auch wenn bei einer Pause weitere Zinsen anfallen werden, wie die Banken bereits sehr deutlich gemacht haben. Dies wird dazu führen, dass viele Minenarbeiter noch Monate später das Gefühl haben werden, dass ihre Gehälter nicht mehr ausreichen und es wird lange dauern, bis diese Lücken geschlossen werden können.

Schon jetzt werden Fragen danach laut, warum die meisten Minenunternehmen keine Katastrophenversicherungen haben, oder sie haben Versicherungen, die decken aber nicht die Löhne ab. Viele Arbeitnehmer sind der Ansicht, dass die Gewerkschaften darüber verhandeln müssen, dass die Löhne stabil bleiben, damit die Familien nicht zu stark beeinträchtigt werden. Bei Wiederaufnahme der Arbeit werden intensive Verhandlungen darüber beginnen, wie beide Parteien einander auf halbem Wege begegnen können.

14. April 2020
Plough Back the Fruits: Welche Neuigkeiten gibt es heute?

Viele Arbeiter kehren in Minen in ganz Südafrika zurück. Hier sind einige Bilder von Impala Platinum’s Rustenburger Niederlassung. Auch Impala Platinum hatte für den frühen Morgen des 14. April 2020 Arbeiter zurück zum Dienst gerufen. Die Anreise verlief unter zum Teil  starker Polizeipräsenz. Soziale Distanzierung wurde kaum praktiziert (anonyme Quelle):

Siehe auch:

21. April 2020

AMCU (Association of Mineworkers and Construction Unit) verklagt DMR (Ministry/Department of Mineral Ressources and Energy) wegen COVID-19 Arbeitsvorschriften (21. April 2020)

Interview über ENCA mit Joseph Mathunjwa: https://amcu.co.za/articles/videos/interview-2020/

AMCU Drums Up Support For Court Case Forcing Mining Minister To Set Minimum Standards

22. April 2020
Plough Back the Fruits: Gibt es Neuigkeiten aus Marikana? Kannst du etwas zur Situation der Ernährungs- und Wasserversorgung in den informellen Siedlungen sagen?

Arbeiter und Gemeindemitglieder in Nkaneng in der Nähe des Rowland Shaft von Sibanye Stillwater Platinum (ehemals Lonmin) hatten Probleme mit dem Zugang zu Wasser, was viele von zwang, Wasser aus der nahe gelegenen Minenherberge mit Schubkarren und 20-Liter-Plastikbehältern zu holen.

Bisher sind noch keine staatlichen Hilfspakete mit Nahrungsmitteln in Marikana angekommen, insbesondere nicht in den informellen Siedlungen rund um die Schächte der Sibanye-Mine. Kein Minenbetreiber hat den Arbeitern oder den umliegenden Gemeinden irgendeine Form von Unterstützung in Form von Nahrungsmitteln oder Hygienemitteln außerhalb des Werksgeländes zukommen lassen.

In den informellen Siedlungen lebt eine erhebliche Anzahl ausländischer Staatsangehöriger (die nicht nachhause reisen konnten), die zurzeit kein Einkommen erzielen dürfen und auch nicht für Nothilfe in Frage kommen. Die meisten von ihnen sind indirekt durch verschiedene Konstruktionen von Subunternehmen in den Minen angestellt.

23. April 2020
Plough Back the Fruits: Wir hören, dass es neue Direktiven von der Regierung gibt?

Der Minister für Bodenschätze und Energie Gwede Mantashe erteilte den Bergwerken die Genehmigung, mit einer Kapazität von 50% zu arbeiten, gefolgt von einer Reihe von Richtlinien:

https://www.dmr.gov.za/news-room/post/1854

Wie wir in den letzten Tagen gehört haben, haben die Gewerkschaften und die Arbeitnehmer oft betont , dass die Richtlinien nicht streng genug sind und es wenig bis gar keine Sicherheit gibt, dass sich die Minen an die Richtlinien halten werden.

Die folgenden Sätze sind aus einer Erklärung eines anonymen Gewerkschaftsführers zitiert:

„Minen kann man nicht trauen, in meiner langen Geschichte der Arbeit in den Minen habe ich eine Reihe von Unfällen erlebt, und zu keinem Zeitpunkt hat die Mine die Schuld für die Unfälle/Todesfälle übernommen. Es war immer die Schuld der Arbeiter. Im Fall eines Unfalls werden die Toten oft aus den Schächten gebracht, bevor die jeweiligen Arbeitgeber oder das Ministerium überhaupt davon erfährt. Was denken Sie, wird passieren, wenn sie einen mit Covid19 infizierten Arbeiter finden?  Sie werden es nicht öffentlich machen oder dem Staat vorlegen.“

24. April 2020

Der Tag begann mit der Information, dass die Minenarbeiter bei Impala Platinum in den Streik getreten sind.

Die Streikenden sind Auftragnehmer des Dienstleisters MMM (der Arbeiter an Impala vermittelt). 20 Schächte werden bestreikt. Die Arbeiter weigern sich unter Tage zu gehen, bevor ihnen volle Lohnzahlungen zugesichert worden sind.