Unglaubwürdige Kontrolle: Gegenantrag und Fragen zur BASF-Hauptversammlung 2021

Zu Tagesordnungspunkt 3: Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2020 nicht zu entlasten.

Begründung:

Der Aufsichtsrat kann seiner Aufgabe als Kontrollorgan des Vorstands derzeit nicht glaubwürdig gerecht werden, um die Neuausrichtung der BASF sozial und ökologisch gerecht mitzugestalten. Insbesondere gegenüber dem neuen Aufsichtsratsvorsitzendem Dr. Kurt Bock bestehen in weiteren Teilen des Aktionariats deutliche Vorbehalte, die durch den Vorstand begonnene Neuausrichtung des Konzerns kritisch und unabhängig kontrollieren zu können. Während der Aufsichtsrat letztes Jahr von der Hauptversammlung mit mehr als 98 Prozent entlastet wurde, stimmte fast ein Drittel gegen die Wahl von Bock in den Aufsichtsrat. Schon im Vorfeld hatten etliche Fondsgesellschaften ihren Unmut über die Personalie geäußert.

Kontrolle der menschenrechtlichen Sorgfalt bei BASF unglaubwürdig

Im Bereich des nachhaltigen Lieferkettenmanagements lässt sich das Problem veranschaulichen. Kurt Bock war zeit seiner Tätigkeit als BASF-Vorstandsvorsitzender beredter Lobbyist gegen die gesetzliche Regelung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten für Unternehmen und sprach sich gegen Initiativen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen aus. Unter Bocks Führung kletterte die BASF in der Rangliste jener Unternehmen, die eine effiziente Klimapolitik am stärksten durch Lobbydruck bekämpfen, immer weiter nach oben.

Deutlich wurde das etwa bei Bocks Kommentaren zum Massaker von Marikana, das sich am 16. August 2012 in der südafrikanischen Platinmine von Lonmin, dem größten Platinlieferanten von BASF, ereignete. 34 Minenarbeiter, die für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen streikten, wurden von der Polizei erschossen, viele von ihnen auf der Flucht, in den Rücken. Vor den Witwen der ermordeten Minenarbeiter, die 2016 bei der Aktionärsversammlung von BASF um Gehör baten, bagatellisierte Bock die bewiesene Mitschuld Lonmins am Massaker und drohte mit einer Politik der verbrannten Erde – sich gänzlich und ohne Verantwortung zu übernehmen aus Südafrika zurückzuziehen. Auch die anfängliche Ignoranz von in Verantwortung stehenden Personen wie Kurt Bock hat dafür gesorgt, dass die Umstände des Massakers bis heute nicht vollständig geklärt werden konnten.

Weiterhin leben jene Bergleute, die für BASF eines der wertvollsten Metalle der Welt aus dem Boden schürfen, mit ihren Familien in Wellblechhüttenslums ohne Strom und fließendes Wasser. Der von BASF mitgetragene Platin-Lobbyverein „International Platinum Group Metals Association“ (IPA), ein Greenwashing-Netzwerk ohne zivilgesellschaftliche Beteiligung, versucht, dies zu verschleiern. Bock versäumte es, ein Risikomanagement zu etablieren, das auf Missstände bei seinen Lieferanten effizient reagieren kann. Marikana ist dafür nur ein Beispiel.

Es ist nicht nachvollziehbar, wie nun ausgerechnet Kurt Bock die Bemühungen des aktuellen Vorstands der BASF, den eigenen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten gerecht zu werden, unabhängig und kritisch bewerten könnte, ohne eigene Versäumnisse einzugestehen.

Durch das bereits vom Bundeskabinett verabschiedete Sorgfaltspflichtengesetz ist es nun für BASF wichtiger denn je, ein funktionierendes System zur systematischen Analyse von Menschenrechtsrisiken in den eigenen Lieferketten vorweisen zu können. Sollte BASF hier nicht hinreichend Menschenrechtsverletzungen identifizieren und auch proaktiv entgegenwirken können, drohen Strafzahlungen oder auch der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge.

Doch noch immer scheint BASF massive Probleme zu haben, bestehende Missstände selbst bei direkten Zulieferern überhaupt identifizieren zu können, wie das Beispiel Nornickel zeigt.

Nornickel: Umstrittener Geschäftspartner mit katastrophaler Umweltbilanz

Ende 2020 forderten indigene Gruppen aus Russland und zivilgesellschaftliche Organisationen aus der ganzen Welt BASF dazu auf, die Geschäftsbeziehungen mit dem Rohstofflieferanten Nornickel solange zu beenden, bis dessen eklatante Missachtung indigener Rechte und Umweltschutzauflagen ein Ende hat. Doch BASF reagierte zunächst derart zurückhaltend, dass der Eindruck erweckt wurde, man habe sich noch nicht ernsthaft mit den Missständen bei Nornickel auseinandergesetzt, obwohl BASF und Nornickel 2019 eine strategische Kooperation in Bezug auf Batteriematerialien für Elektrofahrzeugen eingegangen waren. Im Mai 2020 sorgte Nornickel für die größte Ölkatastrophe der Arktis, als 21.000 Tonnen Diesel aus einem Kraftwerkstank ausliefen.

Erst nach einer weiteren Aufforderung der indigenen Gruppen und zivilgesellschaftlichen Organisationen an BASF, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, ließ der Konzern verlauten, auf Nornickel einzuwirken, um die Defizite im Menschenrechts- und Umweltschutz zu beheben. Sollte BASF selbst bei direkten Geschäftspartnern wie Nornickel in Zukunft nicht eigenständig, transparent und nachvollziehbar gegen solche Missstände aktiv werden, werden die Anforderungen des Sorgfaltspflichtengesetzes nicht erfüllt werden können.

Zur virtuellen Hauptversammlung 2021 der BASF haben wir diese Fragen an den Vorstand eingereicht:

Fragen zu der Wahrnehmung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten allgemein:

  • Können Sie bereits sicherstellen, dass BASF die Anforderungen des geplanten Lieferkettengesetzes an ein Risikomanagement zur Identifizierung und proaktiven Reduzierung von Menschenrechtsrisiken in den eigenen Lieferketten erfüllt?
  • Sie setzen sich für eine europäische, gesetzliche Regelung unternehmerischer Sorgfaltspflichten ein. Für welche konkreten Regelungen sprechen Sie sich aus und für welche explizit nicht?

Fragen zum Zulieferer Sibanye-Stillwater und der Situation in Südafrika:

  • Im Januar 2020 wurde von der BASF ein Audit von Sibanye-Stillwater durchgeführt. Was sind die Ergebnisse und können das Audit sowie die Ergebnisse – zur Gänze – öffentlich gemacht werden?
  • In welchen Umfang wurden welche Rohstoffe von Sibanye-Stillwater im Geschäftsjahr 2020 bezogen? Bitte Betrag in Euro sowie Menge in Gewicht, aufgeschlüsselt nach Rohstoffart angeben.
  • Die Lebensbedingungen der Menschen, die für BASF Platin aus dem Boden schürfen, weiterhin unverändert schlecht sind. Im aktuellen Geschäftsbericht heißt es, dass auch in den bisher veröffentlichten wenig transparenten Auditergebnissen „Verbesserungsbedarf“ in den Bereichen „Gesundheit und Sicherheit“ und „Umwelt“ festgestellt worden seien. Was tun sie konkret zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Minenarbeiter:innen von Marikana?
  • Wann waren Vertreter*innen von BASF das letzte Mal vor Ort in Marikana?
  • Haben aus Ihrer Sicht die von BASF initiierten Maßnahmen zu einer tatsächlichen Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Menschen in Marikana beigetragen?
  • Für wie effektiv bewerten Sie die Sozial- und Menschenrechtspläne von Sibanye-Stillwater für die Gemeinden in der Umgebung der Minen?
  • Verfügt Sibanye-Stillwater über einen Stakeholder Engagement Plan und wird dieser effektiv umgesetzt; wann wurden betroffene Gemeinden in Marikana zuletzt konsultiert?
  • Welche Maßnahmen wurden von Sibanye-Stillwater ergriffen, um die gesundheitliche, soziale und wirtschaftliche Entwicklung der von den Bergbauaktivitäten betroffenen Gemeinden zu fördern?

Fragen zu Geschäftsbeziehungen mit Anglo American:

  • In welchen Umfang wurden welche Rohstoffe von Anglo American im Geschäftsjahr 2020 bezogen? Bitte Betrag in Euro sowie Menge in Gewicht, aufgeschlüsselt nach Rohstoffart angeben.
  • Haben Sie konkrete Missstände und Nachholbedarf bei Anglo American in Bezug auf die Einhaltung internationaler Arbeits-, Sozial- und Umweltschutzstandards feststellen können? Wenn ja, welche?
  • Anglo American hat in Mogalakwena, Südafrika, mehrere Gemeinden umgesiedelt. Wissen Sie davon und können Sie prüfen, dass dabei alle erforderlichen lokalen, nationalen und internationalen rechtlichen Anforderungen erfüllt worden sind?
  • Können Sie prüfen, ob Anglo American die erforderlichen Entschädigungen an die von der Umsiedlung betroffenen Gemeinden gezahlt hat?

Fragen zu Geschäftsbeziehungen mit Nornickel:

2019 ist BASF mit Nornickel eine strategische Kooperation in Bezug auf Batteriematerialien für Elektrofahrzeugen eingegangen. Im Mai 2020 sorgte Nornickel für die größte Ölkatastrophe der Arktis, als 21.000 Tonnen Diesel aus einem Kraftwerkstank ausliefen.

  • Welche konkreten Mängel hat BASF bei Nornickel in Bezug auf Sozial- und Umweltschutzstandards festgestellt?
  • Wurden dazu konkrete Zeitpläne mit Nornickel vereinbart, bis wann die Missstände behoben sein müssen? Wenn ja, wie sehen die Pläne konkret aus?
  • Inwieweit unterstützt BASF bzw. würde BASF Nornickel dabei unterstützen, die Standards der Initiative for Responsible Mining Assurance (IRMA) zu erfüllen?
  • Inwieweit fordert BASF von Nornickel explizit, auch die Rechte indigener Gruppen in Russland zu achten, insbesondere deren Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC-Prinzipien)?
  • Unter welchen Umständen würde BASF die Geschäftsbeziehung mit Nornickel beenden, ggf. auch nur temporär?