Nachwort

von Boniface Mabanza

Noch bevor die ersten Corona-Fälle auf dem afrikanischen Kontinent bestätigt wurden, wurde der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und ehemaliger Gesundheitsminister Äthiopiens, Tedros Adhanom, nicht müde zu betonen, dass sich afrikanische Länder auf das Schlimmste vorbereiten sollen. Mittlerweile ist Corona in Afrika angekommen. Die Länder sind unterschiedlich stark betroffen und ihre jeweiligen Regierungen haben sich gegenseitig darin  übertroffen, Maßnahmen zur Bekämpfung der Epidemie einzuleiten. In vielen Ländern des Kontinents sind jedoch diese Maßnahmen für die Menschen gefährlicher als die Krankheit selbst. Der vorliegende Newsletter hat Einblicke in einige Facetten der Corona-bedingten gesundheitlichen, sozialen und ökonomischen Krise im Südlichen Afrika und besonders in Südafrika gegeben. Was der Newsletter vor allem leisten will, ist die Zusammenstellung von Links, die den interessierten Leser*innen ermöglichen, Stimmen und Analysen aus dem Südlichen Afrika und Afrika zur aktuellen Situation wahrzunehmen und zu vertiefen.

Wir möchten in den nächsten Ausgaben auch durch einige Artikel auf die grundlegenden Auseinandersetzungen aufmerksam machen, die in diesen Corona-Zeiten auf dem Kontinent geführt werden und die auch für die Post-Corona-Zeiten von Bedeutung sein könnten. An dieser Stelle wollen wir einige der Themen erwähnen, die diese Auseinandersetzungen jetzt bereits prägen und die wir in den nächsten Ausgaben vertiefen werden:

  • Handlungsfähigkeit der nationalen Regierungen: es war spektakulär, mit welcher Geschwindigkeit Regierungen Maßnahmen ergriffen haben (Übernahme von Wasser- und Stromrechnungen in Ghana und vielen anderen Ländern, Emergency Income Grants in Namibia, food banks für arme Bevölkerungsgruppen etc…). Aktivist*innen überall auf dem Kontinent registrieren dies und sehen darin eine Lektion, von der sie glauben, dass sie bestehen bleibt und positive Auswirkungen in Bezug auf die Verpflichtung der Regierungen gegenüber ihrer Bevölkerung haben wird.
  • Die Corona-Krise als Offenbarung der Verletzlichkeit des Kontinents und der Notwendigkeit grundlegender Veränderungen: das ist die Lesart, die u.a. im offenen Brief afrikanischer Intellektueller an die afrikanischen Regierenden zu finden ist, der mittlerweile von Menschen unterschiedlicher Generationen und Spektren unterschrieben wurde. Dieser Brief versteht sich als eine „kleine Mahnung, eine Wiederholung des Offensichtlichen: dass der afrikanische Kontinent sein Schicksal wieder in die eigenen Hände nehmen muss. Denn gerade in den schwierigsten Momenten müssen neue/innovative Orientierungen erforscht und dauerhafte Lösungen gefunden werden.“ Die Autor*innen empfehlen, „sich daran zu erinnern, dass Afrika über ausreichende materielle und menschliche Ressourcen verfügt, um einen gemeinsamen Wohlstand auf einer egalitären Grundlage und unter Achtung der Würde eines jeden Menschen aufzubauen.“ Sie fordern einen radikalen Richtungswechsel und vertreten die Meinung, dass die Zeit dafür jetzt ist.
  • Dieser Richtungswechsel betrifft u.a. den Rohstoffsektor. Der Kontinent ist weitgehend in der Rolle des Rohstofflieferanten geblieben. Viele Länder produzieren, „was sie nicht konsumieren und konsumieren, was sie nicht produzieren“ (J. Nyerere). In Krisen wie diesen stellt sich die Frage nach der fast ausschließlichen Konzentration auf bestimmte Exportprodukte wie Trauben, Blumen, Tee, Kakao, Bananen, Kaffee, Öl und Mineralien neu. Und auch die Abhängigkeit von ausländischen verarbeiteten Produkten und Technologien wird in Frage gestellt. Darüber hinaus geht es um die Frage, wer etwa die Macht hat, Rohstoffpreise festzulegen oder zu manipulieren.
  • Corona-Krise als neue Schuldenfalle: angesichts der Lähmung des Wirtschaftslebens und der damit verbundenen Lücken in ihren Haushalten sowie als Beitrag zur Eindämmung der Gesundheitskrise, fällt vielen Regierungen nichts anderes ein, als auf die bekannten Akteure IWF und Weltbank zurückzugreifen, deren Schuldenmanagement sich bis jetzt als Lizenz zur Ausplünderung der Ressourcen des Kontinents erwiesen hat. Dagegen entsteht hier und da Widerstand.

Das soll ein kleiner Vorgeschmack auf die uns wichtig erscheinenden Debatten sein, denen wir Raum geben wollen. Dieser Newsletter will auch eine Plattform für Diskurse zu Afrika sein, die im deutschen und europäischen Kontext geführt werden. Es ist auffällig, dass die neuen Sorgen um Afrika, wo es nach den meisten Analysen aus dem hiesigen Kontext „nur schlimmer werden kann, als bei uns“, viele Kontinuitäten mit kolonialen Diskursen aufweisen. Wir wollen diese Kontinuität kolonialer Blicke auf Afrika in Zeiten von Corona auch unseren Partner*innen in Afrika zugänglich machen und ihnen eine Plattform geben, dazu Stellung zu beziehen. Auch deshalb ist dieser Newsletter zweisprachig angelegt.