Neuer Eigentümer, neue Perspektive für Marikana?

Die neu angestoßenen Maßnahmen von Sibanye-Stillwater für das Erbe und die Zukunft von Marikana haben noch nicht zu einem umfassenden Wandel geführt, wie die Antworten auf unsere Fragen bei der Hauptversammlung Ende Mai 2021 zeigen.

von Tilman Massa, Dachverband Kritische Aktionär:innen

Nachdem Sibanye-Stillwater im Juni 2019 Lonmin übernommen hatte und zu einem der größten Platinkonzernen der Welt geworden ist, muss sich das US-südafrikanische Unternehmen auch mit dem Umgang und Erbe von Marikana befassen.

Bei dem Massaker von Marikana, das sich am 16. August 2012 in der südafrikanischen Platinmine von Lonmin ereignete, wurden 34 Minenarbeiter, die für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen streikten, von der Polizei erschossen. Auch Unternehmensverantwortliche von Lonmin waren für diese Eskalation mit verantwortlich, vor allem aber auch für die miserablen Arbeitsbedingungen und Löhne. Nach dem Massaker versprach Lonmin zwar Besserungen, doch gerade bei den Lebensbedingungen vor Ort änderte sich nichts. Stattdessen kämpft die Zivilgesellschaft bis heute um umfassende Aufklärung und die Klärung von Entschädigungszahlungen. Entsprechend groß war die Sorge, dass mit dem Verschwinden von Lonmin auch jegliche unternehmerische Verantwortung und Zusage verschwinden würde.

Kaum mehr als das übliche Sozialversprechen des Bergbaus

„Ehren, sich engagieren, gestalten“ – mit dieser Trias will Sibanye-Stillwater das schwere Erbe von Marikana annehmen. Das im Frühjahr eigens dazu gestartete „Marikana Renewal Programme“ und die zugehörige Webseite lassen keinen Zweifel daran, dass Sibanye-Stillwater dem Vorwurf vorbeugen möchte, das Thema Marikana vermeiden zu wollen, um nicht mit dem Massaker und dem negativen Image von Lonmin in Verbindung gebracht zu werden. Dem Management muss klar gewesen sein, dass solche Versuche das Gegenteil von einem Imagegewinn bedeutet hätten.

Dabei hat Sibanye-Stillwater dieselben Probleme wie Lonmin, insbesondere beim Arbeits- und Gesundheitsschutz. Immer wieder müssen nach Einstürzen hunderte Bergleute aus Minenschächten gerettet werden. Allein 2020 musste Sibanye-Stillwater 9 Todesfälle melden.

Was beinhaltet das „Marikana Renewal Programme“ also genau? Zum Gedenken an die Opfer des Massakers hat Sibanye-Stillwater zunächst einen kleinen Erinnerungsort mit Gedenkstein eingerichtet, am Haupteingang des Minenbetriebs. Die Witwen und ihre Kinder können Beratungs- und -Bildungsangebote in Anspruch nehmen, zudem sollen ihnen versprochene Häuser endlich fertiggestellt werden.

Zudem möchte das Unternehmen mit der Gemeinde in einen Dialog treten, um die Probleme vor Ort zu verstehen und beabsichtigt, in die wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde zu investieren, um vom Bergbau unabhängige Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven zu schaffen.

Minenbetreiber sind in der Regel der Ansicht, durch ihre bloße Anwesenheit zur wirtschaftlichen Entwicklung der lokalen Gemeinden beizutragen. Sibanye-Stillwater scheint auch hier nicht mehr als das Naheliegende tun und verspricht lediglich, auf lokale Arbeitskräfte und beim Einkauf bzw. der Beschaffung auf lokale kleinere und mittlere Unternehmen zurückgreifen zu wollen.

Fragen und Antworten auf der Aktionärsversammlung

Anlässlich der Hauptversammlung von Sibanye-Stillwater am 25. Mai 2021 wollten wir genauer wissen, was denn nun anders als unter Lonmin gemacht werde. Auf der virtuell abgehaltenen Versammlung haben wir den Vorstandsvorsitzenden Neal Froneman gefragt, welche Fortschritte und Ergebnisse aus dem „Marikana Renewal Programme“ eventuell schon vorliegen würden.

„Wir haben große Anstrengungen unternommen, um den Dialog um Marikana tatsächlich zu verändern“, resümierte Froneman gleich zu Beginn seiner Antwort. „Wir haben uns bei unserem Renewal-Projekt ganz bewusst dafür entschieden, die Vergangenheit zu würdigen. Wir kehren sie nicht unter den Teppich.“

Ihm war anzumerken, dass er um die Bedeutung des Themas und die bisherige Kritik an Lonmin weiß, entsprechend wollte er einen deutlichen Wandel gegenüber Lonmin deutlich machen. „Wir haben die 44 Witwen sofort anerkannt und tatsächlich war eines der allerersten Treffen, das ich hatte, als wir Lonmin übernahmen, ein Treffen mit den Witwen“, so Froneman weiter. „Wir haben diesen Prozess beschleunigt, und diese Häuser werden tatsächlich bis zum Ende dieses Jahres fertiggestellt sein.“

In Bezug auf die andauernden juristischen Verfahren versicherte Froneman, diese zu unterstützen, auch wenn Sibanye-Stillwater selbstverständlich keine Justizbehörde sei. „Teil der Ehrung der Vergangenheit ist auch der Versuch, sicherzustellen, dass Gerechtigkeit erreicht wird.“

Offensichtlich scheint er sich für die angestoßenen Maßnahmen auch mehr Anerkennung zu wünschen: „Einige der in Marikana involvierten Interessengruppen würden einige der Veränderungen, die wir vornehmen, wahrscheinlich nicht wahrnehmen wollen, weil es zu ihrer Agenda passt, die Vergangenheit ständig anzuerkennen.“

In Bezug auf die versprochene, nachhaltige Zukunftsperspektive für Marikana wurde Froneman aber wenig konkret: „Wir wollen sicherstellen, dass Marikana auch nach dem Ende des Bergbaus ein anderer Ort sein wird als bisher.“

Bemerkenswert ist weniger das Bekenntnis zum profitablen Standort Marikana, sondern vielmehr die Perspektive jenseits des Bergbaus. Dann ist aber auch Sibanye-Stillwater nicht mehr verantwortlich, zumindest können die zukünftigen Generationen (noch) keine konkreten, also einklagbaren Ansprüche gegenüber Sibanye-Stillwater geltend machen. Es lohnt aber ein Blick auf die bestehenden Zusagen und Verpflichtungen von Sibanye-Stillwater.

Das Mantra der ewigen Aufarbeitung von „einigen Rückständen“

Freiwillige Sozialmaßnahmen von Unternehmen sind das eine, rechtlich verbindliche Zusagen in Zusammenhang mit der Minenerlaubnis das andere. Daher haben wir auch nach der Umsetzung der Sozial- und Arbeitspläne (SLPs) gefragt.

In Südafrika legen die SLPs fest, wie Bergbaukonzerne in die Entwicklung und Infrastruktur der Gemeinden, in denen sie tätig sind, investieren müssen. Dazu gehören auch die Einrichtung bzw. Verbesserung von Schulen, Straßen, Wohnraum oder sanitären Anlagen. Sobald ein Unternehmen ein Abbaurecht erhält, wird der von ihm eingereichte SLP zu einem rechtsverbindlichen Dokument.

Sibanye-Stillwater hatte schon zuvor verlauten lassen, den Nachholbedarf als Erbe von Lonmin identifiziert zu haben und nun abbauen zu wollen. „Wir haben als Teil der Transaktion zugestimmt, SLP 2 zu übernehmen, und der größte Teil von SLP 2 ist bereits abgeschlossen“, stelle Froneman auf der Aktionärsversammlung klar. Man sei nun dabei, die Genehmigung für den SLP 3 zu bekommen.

Neben den SLPs hat Sibanye-Stillwater derzeit auch noch eine andere To-do-Liste abzuarbeiten. Im Januar 2020 wurde der Bergbaukonzern einem vollständigen „Enhanced Together for Sustainability“ (eTfS) Audit unterzogen. Dabei gab es vier „größere Befunde“ und 29 „kleinere Befunde“, die nun durch einen Korrekturmaßnahmenplan (CAP) angegangen werden sollten. Vor allem die BASF, eine der wichtigsten Kundinnen der Platinmetalle von Sibanye-Stillwater, hatte das Audit veranlasst und uns auf der eigenen Aktionärsversammlung zuvor mitgeteilt, dass es dabei noch einige unerledigte Aufgaben geben würde. Daher wollten wir nun aus erster Hand wissen, wie Sibanye-Stillwater mit den Befunden des jüngsten Audits umgeht.

Themba Nkosi, Chief Social Performance Officer (CSPO) im Konzern, versicherte uns, dass man mit dem Korrekturmaßnahmenplan beschäftigt sei. „Wir machen tatsächlich Fortschritte in Bezug auf einige der Befunde, vor allem in Bezug auf Brandschutz und speziell die Einrichtung des Betriebs nach dem Audit. Es gibt tatsächlich einige Verbesserungen.“ Ein weiterer Termin mit BASF im Herbst 2021 sei vereinbart, um die Fortschritte prüfen zu lassen. So weit so unklar. An dieser Stelle lohnt sich wohl ein Rückblick auf die andauernden Lippenbekenntnisse von Lonmin: Versprechen, die lokale Wirtschaft zu fördern, stehen in Lonmins Fall in erster Linie in Verbindung mit der mutmaßlichen Veruntreuung aus einem dafür vorgesehenen Weltbank-Förderprogramm, ohne dass es nennenswerte Fortschritte in Marikana zu verzeichnen gab.

Fazit: Keine Zukunftsperspektive ohne lokale Teilhabe

Immerhin: Sibanye-Stillwater hat sich klar zur Verantwortung und Übernahme von Altlasten von Lonmin bekannt, statt dies von sich zu weisen. Das Massaker von Marikana, die Opfer und Hinterbliebenen werden anerkannt. Ein umfassender Wandel ist damit aber noch nicht erreicht, höchstens eingeleitet. Die von Sibanye-Stillwater thematisierte Zukunftsperspektive bleibt nebulös. Das Unternehmen würde gut daran tun, diese Perspektive gemeinsam mit den in Marikana lebenden Menschen weiterzuentwickeln. Als handfeste Bekenntnisse bleiben nur die Erfüllung der ohnehin rechtlich verbindlichen Maßnahmen der Sozial- und Arbeitspläne (SLPs) und die Behebung der in externen Audits festgestellten Mängel, insbesondere bei der Arbeitssicherheit. Gegenüber Lonmin wäre es aber schon ein Fortschritt.