„Das Massaker von Marikana hat meine ganze Familie zerstört“: Rede von Ndikho Jokanisi Bomela

Ich bin Ndikho Jokanisi Bomela. Ich war neun Jahre alt, als ich meinen Vater verlor. Ich war neun Jahre alt, als mein Vater beim Massaker von Marikana im Jahr 2012 erschossen wurde. Ich war neun Jahre, als ich ein Waisenkind wurde.

Jetzt bin ich ein Mann. Ich war am entabeni, das ist unser heiliger Berg, auf dem wir Xhosa unsere Initiationsriten abhalten. Aber ich bin aber – vor allem deswegen erwachsen -, weil ich das seit dem Massaker von 2012 sein muss. Meine Mutter starb schon ein Jahr davor, mein Vater war der einzige Anker der Familie – als er getötet wurde, verlor ich diesen Halt.

Mein Vater ist tot. Mein Vater ist tot, weil der Platinlieferant von BASF sich geweigert hat, mit den streikenden Minenarbeitern über eine Lohnerhöhung zu sprechen. Sie haben stattdessen die Polizei vorgeschickt und ihnen den Auftrag gegeben, den Streik mit allen Mitteln zu beenden. Das Ergebnis waren 44 Tote, darunter mein Vater.

Mein Vater streikte auch für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen, dafür, dass Minenarbeiter, die für BASF eines der wertvollsten Metalle aus dem Boden holen, nicht in ihrem eignen Dreck leben müssen, ohne Kanalisation, ohne Strom. Fließendes Wasser gibt es nur bei Regen und wenn das Dach kaputt ist.

Ich war ein Kind, als mein Vater getötet wurde. Ich bin jetzt ein Mann.

Das Massaker von Marikana hat meine ganze Familie zerstört.

Mein Großvater, Goodman Jokanisi, hat auch in Marikana gearbeitet, gemeinsam mit seinem Sohn, meinem Vater. Sie haben sich bei Schichtwechsel in der Mine gesehen; nach Hause zu uns kamen sie selten. Wir sahen sie nur alle heiligen Zeiten, zu Weihnachten und Ostern.

Mein Großvater musste um Geld zu verdienen nach dem Tod meines Vaters dort weiterarbeiten. Der Geist meines Vaters verfolgte ihn dort. Er leidet unter Schlaflosigkeit, er kann den Verlust nicht verkraften.

Seine Frau, meine Großmutter, Nomandiya Joyce Jokanisi musste seit dem Tod ihres Sohnes Antideprissiva nehmen. Sie nahm sie bis zu ihrem eigenen Tod, sie starb vor drei Jahren. Sie starb ohne zu erfahren, wer ihren Sohn umgebracht hat, sie starb ohne zu erfahren, warum er sterben musste. 12 Jahre nach dem Massaker ist weiterhin niemand zur Rechenschaft gezogen worden, niemand ist verurteilt worden.

Ich habe auch meinen Bruder, Ayabonga, verloren. Er wurde in der Schule gemobbt, wegen seiner Verbindung zum Massaker von Marikana. Er hat ihren Platinlieferanten gebeten, dass er die Schule wechseln darf. Sie haben das abgelehnt. Er war 15 Jahre alt, als er sich selbst das Leben genommen hat.

Das Massaker hat meine Familie zerstört, zerrissen, zerfetzt. Es hat eine Wunde quer durch die Generationen gerissen, eine Wunde, die wir Kinder weitertragen müssen.

Ich war ein Kind als mein Bruder Selbstmord beging, jetzt bin ich ein Mann.

Ich weiß, dass schon viele Leute aus Marikana hier waren, unsere Muttergeneration, Minenarbeiter, Bischof Jo Seoka und andere. Ich kenne Ihre Antworten, die Sie als BASF-Verantwortliche ihnen auf ihre ernst gemeinten Forderungen gegeben haben, auch – Ihre – beschämenden Zynismen, Herr Bock.

Dass Sie, wie Sie einmal meinten, „weiter daran arbeiten werden die Situation in Marikana zu verbessern“. Ich habe mir all ihre Worthülsen und leeren Versprechungen durchgelesen. Ich war ein Kind, als Sie diese Versprechungen machten, jetzt bin ich ein junger Mann. Ich sehe keine Evidenzen für die so selbstgerecht versprochenen Verbesserungen, weder in Marikana, noch in meiner Familie, oder den anderen Familien.

Mein Onkel Anele arbeitet in Marikana. Er erzählt von denselben Lebens- und Arbeitsbedingungen, unter denen schon mein Großvater und mein Vater gearbeitet haben. Sie haben gar nichts getan, um die Situation zu verbessern, gar nichts, niemals. Hören Sie auf das zu behaupten, wir können es nicht mehr hören.

Ich bin kein naives Kind mehr, ich bin ein Erwachsener. Ich bin nicht hier um Sie um irgendetwas zu bitten, ich will auch kein Mitleid von Ihnen.

Ich studiere Jura. Ich kann Ihnen sagen: von dem, was ich bisher über Recht und Gerechtigkeit gelernt habe – ich sehe nichts davon hier. Ich sehe keine Gerechtigkeit, weder in meiner Vergangenheit, ich sehe hier heute keine, und ich befürchte, dass sie mir auch in Zukunft verwehrt bleibt.

Es ist mir klar geworden, dass wir Ihnen vollkommen egal sind, mit ihren Hochglanzantworten geht es Ihnen nur um ihr Image, nicht um unsere Situation.

Wir lassen uns nicht mehr abspeisen von den von Ihnen gefeierten Maßnahmen, diesen Audits, die nichts bringen, diesen Dialoginitiativen, die zu nichts führen, außer dass Sie abermals Zeit gewinnen, nichts Konkretes zu unternehmen.

Wir wollen Konkretes, wir wollen Zeitrahmen: Treffen sie sich mit uns, der „Marikana Next Generation“, in diesem Jahr, und hören sie sich unsere Forderungen an. Es gibt viel mehr als ich darlegen kann, in den fünf Minuten, die sie mir gewähren. Werden Sie das tun, werden sie sich mit uns treffen? Antworten sie darauf.

Ich hoffe, dass meine Worte für Sie nicht wieder bloß ein Stück Papier sind, über das sie ungerührt hinweg gehen.

Ich danke Ihnen allen für die Aufmerksamkeit.

 

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Wir konnten unser Projekt nur dank der Förderung und Solidarität der Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt durchführen.