Editorial

Am 29. März 2021 wurden der ehemalige stellvertretende Polizeichef des Nordwestens, Mzondase Mpembe, und drei weitere hochrangige Polizeibeamte von allen drei Anklagen im Zusammenhang mit dem Massaker von Marikana freigesprochen. Damit setzt sich der Trend fort, dass bis zum jetzigen Tag niemand unter den direkt am Massaker beteiligten Polizisten und den hinter dem Schießbefehl stehenden Entscheidungsträger*innen in der Politik verurteilt wurden. Neun Jahre sind vergangen und die Geschichte geht ihren Kurs weiter, “Business as usual”. Dies gilt auch hinsichtlich der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Minenarbeiter und aller Menschen, die in Marikana leben.

Für sie hat sich strukturell nichts geändert, aber das Platin aus Marikana erreicht weiterhin den Weltmarkt. Wenngleich die fehlende Gerechtigkeit, die darin Ausdruck findet, dass die Verantwortlichen des Massakers immer noch nicht verurteilt wurden auf das Versagen des südafrikanischen Staates und seiner Staatsanwaltschaft zurückzuführen ist, so trägt für die nicht verbesserten Lebens- und Arbeitsbedingungen der Minenkonzern Sibanye-Stillwater, seit einem Jahr Betreiber der Marikana-Mine, die Verantwortung.

Auch die BASF trägt als Kunde von Sibanye-Stillwater eine Verantwortung, weil sie sich weigert, ihre Handlungsspielräume zu nutzen, um Druck auf Sibanye-Stillwater auszuüben. Die Audits, auf die sich die BASF bezieht und die als Argumente dienen, um „Business as usual“ zu betreiben, evaluieren Kriterien, die für das konkrete Leben der Minenarbeiter am Arbeitsplatz und in den communities irrelevant sind. Da BASF von sich aus, nicht in der Lage ist, den notwendigen Druck zu erzeugen, hoffen wir auf ein starkes Lieferkettengesetz, das sie letztlich dazu zwingen wird.

Der Artikel von Tilman Massa vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre spielt am Beispiel des jetzt vorliegenden Gesetzentwurfes durch, was es bedeutet hätte, wenn das Gesetz 2012 bereits in Kraft gewesen wäre.

Dieser Newsletter erscheint am Tag vor der neunten Hauptversammlung von BASF seit dem Massaker in Südafrika und enthält neben dem Gegenantrag und den an Vorstand und Aufsichtsrat eingereichten Fragen des Dachverbandes der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und des Kampagnennetzwerks „Plough Back The Fruits“ einen offenen Brief des Auschwitz-Komitees  vom 22. Februar dieses Jahres, in dem es um den zukünftigen Firmensitz von Wintershall Dea in Hamburg geht. Die Wintershall Dea ist derzeit noch eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von BASF und gedenkt nach der Fusion mit Dea den Hauptgeschäftssitz am Hamburger Lohseplatz (ehemals Hannoverscher Bahnhof) zu beziehen. Von diesem Ort aus wurden während des Nationalsozialismus Hamburger Jüdinnen und Juden, Hamburger Sinti und Roma in die Vernichtungslager deportiert. Ein Bündnis aus Überlebenden-Organisationen und zivilgesellschaftlichen Gruppen hatte nicht nur einen Gedenkort an dieser hart erkämpft, sondern auch erreicht, dass ein Mitspracherecht über die Belegung der anliegenden Gebäude verbrieft wurde. Mit der Vermietung an eine IG-Farben-Nachfolgefirma im selben Gebäude wie das geplante Dokumentationszentrum zum Gedenkort würden die Stimmen dieser Gruppen ein weiteres Mal übergangen werden.

Außerdem haben wir und Gruppen der Klimagerechtigkeitsbewegung diverse kritische Nachfragen zu Aktivitäten von Wintershall an den BASF-Vorstand eingereicht, die in einem Extrabeitrag zu lesen sind.

Die versammelten Artikel verdeutlichen einmal mehr, dass am Beispiel BASF sichtbar wird, dass die Aufarbeitung der eigenen Firmengeschichte und globales gerechtes Wirtschaften ohne zivilgesellschaftlichen Druck und den Willen der politisch Verantwortlichen ein Lippenbekenntnis zu bleiben scheint.

Davon spricht auch das kurze Nachwort von Jo Seoka zu diesem Editorial:

„Der Staat und alle, die an der anhaltenden Tragödie von Marikana beteiligt sind, müssen daran erinnert werden, dass eine verspätete Justiz eine verweigerte Justiz ist. Wir möchten daher die BASF-Investoren auffordern, ihre Anlagepolitik zu überdenken. Moral und ethisches Handeln müssen über dem monetären Gewinn stehen. Diejenigen, die Marikana besucht haben, können bezeugen, wie schockierend die Realität ist. In der Zwischenzeit führen die BASF und ihre Partner Audits durch, die bisher nur zu kosmetischen Veränderungen führen, um so den Eindruck zu erwecken, dass sich die Dinge geändert haben, und um ihr business as usual zu rechtfertigen. Es ist eine Beleidigung für die Opfer des Massakers – wie für alle Minenarbeiter und ihre Familien. “

Für das Kampagnen-Netzwerk Plough Back the Fruits

Boniface Mabanza und Maren Grimm